Durch das Herauschneiden eines Balkenstücks
wirkt auf die so erzeugte Querschnittsfläche als Schnittgröße lediglich ein Biegemoment um die x-Achse. Diese Moment ist einem Kräftepaar äquivalent und bewirkt im oberen Bereich des Querschnitts eine Druckspannung sowie im unteren Bereich eine Zugspannung.
Zu einer genaueren Aussage gelangen wir, indem wir die durch die Biegung erzeugte Normalspannung eines differentiell kleinen Flächenstücks dA betrachten. Die resultierende Kraft in diesem Flächenstück ist σb(y)·dA. Damit formulieren wir die
1. Verträglichkeitsbedingung
Die Biegespannung hat keine resultierende Kraftwirkung, d.h.
∫A·σb(y)·dA = 0
Weiterhin gibt es kein resultierendes Moment um die y-Achse und damit gilt die
2. Verträglichkeitsbedingung
Die Biegespannung erzeugt kein resultierendes Moment um die y-Achse, d.h.
∫A·xσb(y)·dA = 0
Schließlich muß die Biegespannung ein Moment um die x-Achse der Größe Mb erzeugen, damit haben wir die
3. Verträglichkeitsbedingung
Die Biegespannung resultiert in einem Moment Mb um die x-Achse, d.h.
∫A·yσb(y)·dA = Mb
Diese bis hierher aufgestellten Bedingungen reichen immer noch nicht aus, um den Biegespannungsverlauf über der Querschnittsfläche zu bestimmen. Daher betrachten wir in einem weiteren Schritt ein verformtes Balkenstück.
und berücksichtigen bei der angenommenen Verformung die
Bernoulli-Hypothese der Biegetheorie
Die Querschnitte eines Balkens bleiben auch während der Biegeverformung eben und senkrecht zur (gekrümmten) Balkenachse.
In unserem speziellen Fall einer Belastung durch ein konstantes Biegemoment über die gesamte Balkenachse hat diese an jeder Stelle die gleiche Krümmung und geht daher in einen Kreisbogen über.
Am verformten Balkenstück kann dann jeder y-Koordinate eine Faser der Form konzentrischer Kreisbögen zugeordnet werden. Diese liegen im Abstand ρ(y) zum Krümmungsmittelpunkt und sind im "oberen Bereich" gegenüber der Ausgangslänge l0 verkürzt und im "unteren Bereich" gelängt. Im Übergang zwischen diesen beiden Bereichen muß es eine sog. neutrale Faser der Länge l0=α·ρ0 geben.
Aufgrund des Ebenbleibens der Querschnitte liegt dann eine lineare Dehnungsverteilung vor, d.h.
ε(y) = Δll0 = α·ρ − α·ρ0α·ρ0 = ρ − ρ0ρ0
lineare Dehnung
ε(y)= −yρ0
Zwischen der Spannung und Dehnung besteht ebenfalls ein linearer Zusammenhang.
σ=E·ε
(Hooke´sches Gesetz)
womit wir die Spannungsverteilung
σb(y)=−Eρ0·y
über der Querschnittsfläche als Geradengleichung erhalten. Nun ist noch die Lage (Nullpunkt) und Steigung der Geraden (ρ0) unbekannt.
Wir setzen die Geradengleichung der Spannungsverteilung in die 1. Verträglichkeitsbedingung ein und erhalten
Eρ0·∫ydA = 0
und damit
Sx = ∫A·ydA = 0
als Forderung, daß das Flächenmoment 1. Ordnung bezüglich der x-Achse verschwindet. Diese erfüllt nur der Flächenschwerpunkt.
Als Ergebnis stellen wir also fest, daß der x,y-Koordinatenursprung in dem Querschnittsflächenschwerpunkt liegt.
Hinsichtlich der Steigung der Geradengleichung benutzen wir die 3. Verträglichkeitsbedingung und erhalten
Mb = −Eρ0 ∫A y2 dA
und mit
Ixx = ∫A y2 dA
(Flächenmoment 2. Ordnung bezügl. der x- Achse)
läßt sich diese Beziehung nach dem Krümmungsradius ρ0 auflösen
ρ0 = −E·IxxMb
Damit erhalten wir nunmehr durch Einsetzen von ρ0 in die lineare Spannungsverteilung, die
Gleichung der Biegespannung
σb(y)=MbIxx·y
Mit Mb = konstantes Moment
Ixx = entlang der Balkenachse gleichbleibendes Flächenmoment
Interessenhalber setzen wir die Gleichung der Spannungsverteilung noch in die 2. Verträglichkeitsbedingung ein und erhalten mit
−MbIxx ∫A xydA = 0
die Bedingung, daß das Deviationsmoment
Ixy = ∫A xydA = 0
verschwindet. Dies ist gleichbedeutend damit, daß die x,y-Achsen gleichzeitig Hauptträgheitsachsen sind.
Die Spannungsgleichung ist demnach nur unter dieser Voraussetzung gültig. Andernfalls ist nach den Formalismen der schiefen Biegung zu rechnen.