[edit] [comment] [remove] |2005-12-12| e1 # Zugeordnete Schubspannungen

Nachdem wir bislang schlanke Bauteile (Balken) untersucht haben, wollen wir nun diese Beschränkung aufheben

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und ebene Bauteile (Scheiben) näher untersuchen. Wir finden jetzt keine ausgezeichnete Bauteilachse vor, zu der wir senkrecht einen Schnitt führen können. Zudem genügt es nicht, einen beliebigen Punkt des Bauteils zu betrachten, da Spannungen mit dem Begriff der Fläche verknüpft sind. Deshalb schneiden wir ein Rechteck der Kantenlänge dx und dy aus dem Bauteil frei. 24Zur Betrachtung des räumlichen Spannungszustands würden wir einen Quader freischneiden.

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Wir gehen davon aus, daß keine äußeren Kräfte auf das Scheibenstück wirken.25Denkbar wären Volumenkräfte wie z.B. Schwerkräfte.

Die Momentensumme um den Rechteckmittelpunkt liefert mittels der Schubspannungen an den Schnittflächen

∑M ≡ −2τyx · dx · t · dy2 + 2τxy · dy · t · dy2 = 0

Aus dieser Gleichung fallen alle geometrischen Abmessungen heraus und führt zum

Gesetz der zugeordneten Schubspannungen

τxy = τyx

Die Schubspannungen in zwei senkrecht aufeinander stehenden Schnittflächen sind gleich groß und aufeinander zu- oder weggerichtet.

Diese Eigenschaft der Schubspannung haben wir bereits beim Biegebalken in Verbindung mit achsparallelen Schnitten ausgenutzt.

 

[edit] [comment] [remove] |2005-12-12| e2 # Spannungen in einem beliebigen Bauteil-Schnitt

Wir wollen nun untersuchen, welche Spannungen in einer beliebigen Schnittfläche des Bauteils wirken. Die Seiten des betrachteten herausgeschnittenen Rechtecks liegen ja parallel zu den Koordinatenachsen - eine spezielle und andererseits recht willkürliche Wahl. Bei der Betrachtung der Spannungen in einer beliebig gerichteten Schnittfläche interessiert insbesondere die Schnittrichtung mit der maximalen Spannung.

Wir schneiden von dem bisherigen Bauteilrechteck ein Stück ab

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Durch die Schnittführung unter dem Winkel φ und der neuen Schnittfläche

dA = dl · t

ergeben sich die Flächen der Hypotenusenseiten zu

dAx = dx · t = dl · cosφ · t = dA · cosφ


dAy = dy · t = dl · sinφ · t = dA · sinφ

Die Spannungen der neuen Schnittflächen bezeichnen wir mit σξ und τξη unter Bezugnahme auf ein um φ gegenüber dem x/y-System gedrehten ξ/η -Koordinatensystem.

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Über die Spannungen an den bekannten Schnittflächen stellen wir die Kräftebilanzen auf.

∑ Fx ≡ (σ×i · sinφ) · A – (τ×iη · cosφ) · A – σx · Ay – τyx · Ax = 0


∑ Fy ≡ (σ×i · cosφ) · A + (τ×iη · sinφ) · A – σy · Ax – τxy · Ay = 0

Eine Multiplikation der ersten Gleichung mit sinφ , der zweiten mit cosφ und anschliessende Summation ergibt

σ×i · dA = σx · sinφ · dAy + σy · cosφ · dAx + τyx · sinφ · dAy + τxy · cosφ · dAy

Analog dazu führt eine umgekehrte Multiplikation mit cosφ und sinφ und Subtraktion der Gleichungen auf

τ×iη · dA = – σx · cosφ · dAy + σy · sinφ · dAx – τyx · cosφ · dAx + τxy · sinφ · dAy

Die Verwendung der gefundenen Beziehungen für die Hypothenusenflächen dAx und dAy in diesen Gleichungen resultiert in den Gleichungen für die Spannungen in der Schnittfläche

σ×i = σx · sin + σy · cos + τyx · sinφcosφ + τxy · cosφsinφ


τ×iη = – σx · sinφcosφ + σy · cosφsinφ · – τyx · cos + τxy · sin

Vollzieht man die vorstehende Betrachtung an einem weiteren Schnitt senkrecht zur gegenwärtigen Schnittführung, ergibt sich eine weitere Gleichung für ση.

Wir erhalten schließlich die

Transformation des ebenen Spannungszustandes auf ein gedrehtes Koordinatensystem

σ×i = σx · sin2 φ + σy · cos2 φ + τyx · sinφ cosφ + τxy · cosφsinφ
σ×i = σx · sin2 φ + σy · cos2 φ + τyx · sinφ cosφ + τxy · cosφ sinφ
τ×iη = (σx − σy)sinφ cosφ + τxy (cos2 φ − sin2 φ)

mit σx, σy, τxy Spannungen im Ausgangskoordinatensystem

σξ, ση, τξη Spannungen im gedrehten Koordinatensystem

Einachsiger Spannungszustand

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Wenn ein Bauteil ausschließlich durch Normalspannungen in einer Richtung beansprucht wird, so sprechen wir von einem einachsigen Spannungszustand.

Ein Schnitt durch dieses Bauteilelement unter dem Winkel φ

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erzeugt in der Schnittfläche sowohl Normal als auch Schubspannungen. Diese Spannungen ermitteln wir aus den Transformationsgleichungen des Spannungszustandes, indem wir σx und τxy = τyx = 0 setzen und und erhalten so die

Transformation des ebenen Spannungszustands

σ×i = σxsin = 12σx(1 − cos2φ)
ση = σxcos = 12σx(1 + cos2φ)
τ×iη = − σxsinφcosφ = − 12σxsin2φ

Die maximalen Schubspannungen treten hier für sinφ = 1 bzw. φ =45° auf.

Hydrostatischer Spannungszustand

Von einem hydrostatischem26Der Druck in einem beliebigem Punkt einer (ruhenden) Flüssigkeit ist in alle Richtungen gleich hydrostatisch) Spannungszustand sprechen wir, wenn ein Bauteilelement von allen Seiten mit derselben Normalspannung beanspruchtwird. Die Schubspannungen sind dabei Null.

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Für diesen Spannungszustand liefern die Transformationsgleichungen für

den hydrostatischen Spannungszustand

σ×i = σ
ση = σ
τ×iη = 0

mit σx = σy = σ, τxy = τxy = 0

Die Spannungen sind hierbei also unabhängig vom Schnittwinkel in allen Richtungen gleich.

Spannungstensor

Die allgemeinen Transformationsgleichungen lassen sich in Matrixschreibweise formulieren

 σ×iτ×iητη×iση  =  cosφsinφ−sinφcosφ · σxτxyτyxσy · cosφ−sinφsinφcosφ 
S×iη = RT · Sxy · R

Die Matrix Sxy mit den Spannungen bezeichnen wir als den

Spannungstensor des ebenen Spannungszustands

Sxy =  σxτxyτyxσy 

mit σx, σy, σxy, σyx = Spannungen am Flächenelement
und τxy, = τyx = Gesetz der zugeordneten Schubspannungen

Zur Transformation wird der Spannungstensor von vorne mit der transponierten27die itransponierte Matrix erhält man durch einfaches Vertauschen von Zeilen und Spalten der Ausgangsmatrix Rotationsmatrix RT und von hinten mit der Rotationsmatrix R multipliziert.

Hauptspannungen

Wir wollen die algebraischen Spannungsgleichungen zunächst etwas umformen.

Dazu verwenden wir die trigonometrischen Beziehungen

sin 2φ = 2sinφ cosφ
cos 2φ = cos − sin

und erhalten

σ×i = 12x + σy) + 12x − σy)cos2φ + τxysin2φ
ση = 12x + σy) − 12x − σy)cos2φ − τxysin2φ
τ×i η = − σy) + 12x − σy)cos2φ + τxysin2φ

Anhand dieser Gleichungen untersuchen wir nun, für welchen Winkel φ die Normalspannung σ×i und ση einen Extremwert besitzen. Dazu setzen wir

×i = − (σx − σy)·sin2φ + 2τxy·cos2φ = 0

und gewinnen den Winkel zu

tan2φ = xyσx − σy

Gehen wir nun mit diesem Winkel wieder in die obigen Spannungsgleichungen, so ergeben sich die Extremwerte der Normalspannungen. Diese bezeichnen wir als

Hauptspannungen des ebenen Spannungszustands28Man beachte die Ähnlichkeit der Gleichungen und Bezeichnungen zu den Trägheitsmomenten.

σ1,2 = σx + σy2±√(x + σy)24) + τ2xy

Der Mohr´sche Spannungskreis

Zu einer geometrischen Veranschaulichung gelangen wir, indem wir die beiden letzten Spannungsgleichungen im vorangegangen Abschnitt als Komponenten einer Vektorgleichung auffassen.

 σyτxy  =  121 + σ2)0  + 121 − sigma2) cos2φsin2φ 

Diese Vektorgleichung ist uns als Kreisgleichung in der Form

P = P0 + r  cos2ψsin2ψ 

bekannt.

In einem σ/τ -Koordinatensystem liegt dieser Kreis mit seinem Mittelpunkt auf der σ-Achse (y-Komponente von P0 ist Null) mit dem Abstand ( 12 σ12) vom Koordinaten- ursprung und dem Kreisradius 121 −σ2).

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Der Mohr´sche Spannungskreis dient vorwiegend zur Veranschaulichung der Vorzeichen von Normalspannungen und Schubspannungen an einem Flächenelement. Dabei ist eine Normalspannung positiv (positive σ-Achse) bei Zug und negativ bei Druck. Eine Schubspannung ist positiv, wenn ihre resultierende Kraft ein positives Moment um den Flächenschwrpunkt aufweist, sonst negativ. Darüberhinaus lassen sich die Spannungen an einem gedrehten Flächenelement (bzw. in einem Bauteilschnitt unter dem Winkel φ ) aus dem Spannungskreis ablesen.