Im vorangegangenen Abschnitt haben wir gesehen, das in jedem kleinen Bauteilelement
(Rechteck der Größe dxdy) ein überlagerter Spannungszustand aus Normalspannung σ und τ Schubspannung wirkt.
Für eine solche zusammengesetzte, mehrachsige Beanspruchung liegen nun keine
entsprechenden Grenzwerte aus Versuchen vor. Es ist insbesondere nicht einfach möglich, aus
dem Versagen bei einachsiger Beanspruchung auf das Verhalten bei mehrachsiger Belastung zu schließen.
Aus dieser Verlegenheit heraus wurden bereits in früherer Zeit sog. Bruchhypothesen (Festigkeitshypothesen) aufgestellt, um die Bauteilbelastung anhand einer spezifischen Vergleichsspannung σv auf
einem einachsigen Spannungszustand zurückzuführen.
Von diesen unterschiedlichen Hypothesen haben sich drei als in der Praxis brauchbar
erwiesen.
- Hypothese der größten Normalspannung (Hauptspannungshypothese)
- Hypothese der größten Schubspannung (Schubspannungshypothese)
- Hypothese der größten Gestaltänderungstheorie (Gestaltänderungsenergiehypothese)
Als brauchbar wollen wir eine Hypothese dann ansehen, wenn sie durch entsprechende
Versuche weitgehend bestätigt wird.
Hauptspannungshypothese
Dieser Hypothese liegt die Überlegung zugrunde, das die größte Normalspannung bei einem mehrachsigen Spannungszstand (Hauptspannung σ1) für einen Trennbruch verantwortlich ist, wenn diese den Grenzwert der Trennfestigkeit erreicht.
Gemäß der Gleichung für die Hauptspannung des ebenen Spannungszustands schreiben wir also für die
Vergleichsspannung nach der Hauptspannungshypothese
eignet sich gut für spröde, trennbruchempfindliche Werkstoffe
Mit dieser Vergleichsspannung wird der vorliegende komplizierte Spannungszustand auf den
des einfachen Zugstabs reduziert.
Schubspannungshypothese
Diese Hypothese basiert auf der Annahme, daß die größte auftretende Schubspannung für die Zerstörung verantwortlich ist.
Wie dem Mohr´schen Spannungskreis entnommen werden kann, ist
Als Vergleichsspannung wird die Normalspannung im Zugversuch herangezogen.
Die Schubspannung, im Schnitt von 45° dazu ist jedoch halb so groß, also
τmax = σv/2
Daraus erhalten wir die
Vergleichsspannung nach der Schubspannungshypothese
durch Versuche bestätigt für:
- verformungsfähige Metalle (ausgeprägte Fließgrenze)
unter ruhenden Zug-/Druckbeanspruchung
- spröde Werkstoffe unter Druckbelastung
Gestaltänderungshypothese (GE-Hypothese)
Diese Hypothese basiert auf der Annahme, daß derjenige Energieanteil der
Materialbeanspruchung, der die Bauteilgestalt ändert, bzw. für den Bruch verantwortlich ist.
Unter einem mehrachsigen Spannungszustand erleidet ein Bauteilelement eine Formänderung.
Formänderung = Volumenänderung + Gestaltänderung
Die Energie oder Arbeit der Verformung des Bauteils entspricht der Fläche unter dem Kurvenverlauf im Spannungs / Dehnungs-Diagramm.
Wir verzichten hier auf die
Vergleichsspannung nach der Gestaltänderungsenergiehypothese
Besondere Eignung bei:
- dynamischer Bauteilbelastung
- ruhende Beanspruchung zäher Werkstoffe mit nicht ausgeprägter
Fließgrenze